Internetzensur III

Unglaublich was ich gerade bei Golem gelesen habe. Da wurde die Wohnung eines Bloggers durchsucht, weil er auf ein anderen Blog gelinkt hat, das wiederum auf bei Wikileaks veröffentlichte Sperrlisten für Kinderpornografie verschiedener Regierungen verlinkt hat.

Man hat sich natürlich bei dem Landgericht Karlsruhe beschwert, aber das wurde abgewiesen. Begründung?

„Aufgrund der netzartigen Struktur des World Wide Web ist jeder einzelne Link im Sinne der Conditio-sine-qua-non-Formel kausal für die Verbreitung krimineller Inhalte, auch wenn diese erst über eine Kette von Links anderer Anbieter erreichbar sind“

Unglaublich, oder? Heißt also, dass so gut wie alle Internetseitenbetreiber potenzielle Hausdurchsuchungsopfer sind, denn irgendwo findet sich immer eine Linkkette zu zweifelhaften Inhalten. Wetten?

Oh ja, ich habe mir die Sperrlisten auch angeschaut und ich kann mir nicht vorstellen, dass ich so ein großes Glück hatte bei der Eingabe zufällig ausgewählter Adressen keine Kinderpornografie vorzufinden. Die Links waren entweder tot, ganz normale (dem Augenschein nach) Pornoseiten, die man auch hätte anders stilllegen können, wenn man das denn wollte, oder eben überhaupt nichts pornografisches … deshalb habe ich den Titel dieser Artikelserie auch mal in Internetzensur statt Internetfilterung umbenannt. Es geht los und keinen interessiert’s :(

P.S.: Auch Google linkt direkt auf Wikileaks und vermutlich auch direkt auf Sperrlisten, die man mittlerweile überall finden kann. Wird bei denen das Haus durchsucht? Ich denke nicht …

Nachtrag:
Ein Leser im Heiseforum hat natürlich eine Linkkette vom Landgericht Karlsruhe zu Wikileaks gefunden. Gratulation!

  1. Unterseite „Links“ des Landgerichts
  2. Dort dann zum Oberlandesgericht Karlsruhe und dort auf Behandlungsinitiative Opferschutz, dann auf den weiterführenden Link klicken
  3. Dort dann deren Wiki (nur eine Einbettung von Wikipedia) aufrufen
  4. In Wikipedia (deren Einbettung) im 1. Absatz auf Sexualstraftäter klicken. Dort dann auf Kinderpornographie (schreibt man das nun mit ph oder mit f?) und voila, ganz unten ist ein Link auf Wikileaks zu finden.

Ordnen die nun auch eine Hausdurchsuchung bei sich selbst an? So quasi als Mittäter mit dringendem Verdacht auf Beihilfe zur Verbreitung von KiPoDreck?

Nachtrag2:
Es kommt noch besser. Versucht man deren Adresse über ihren Impressumslink herauszufinden, kann man folgenden Text lesen:

[…] Mit den Links zu anderen Internetauftritten wird den Nutzern lediglich der Zugang zur Nutzung der Inhalte vermittelt. Für illegale, fehlerhafte oder unvollständige Inhalte und für Schäden, die aus der Nutzung entstehen, haftet allein der Anbieter der Seite, auf welche verwiesen wurde.

Leicht widersprüchlich, oder?


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Kommentare

7 Antworten zu „Internetzensur III“

  1. Avatar von Cappellmeister

    Die Gerichte sollte man mit negativen Feststellungsklagen überhäufen. Dann würden sie mal über ihre Sinnhaftigkeit nachdenken…

    1. Avatar von Sebbi

      Hast du noch meinen Nachtrag gelesen? Vielleicht sollten sie sich einfach selbst durchsuchen?

      Naja, im Heiseartikel dazu steht, dass der durchsuchte auch Strafanzeige gegen die beteiligten Richter wegen Rechtsbeugung gestellt hat und sich vor dem Verfassungsgericht wehren will. Mal sehen was dabei rauskommt, denn immerhin steht in dem Artikel auch, dass der durchsuchte schon mehrmals wegen derartiger Verbreitungen aufgefallen sei.

  2. Avatar von CN
    CN

    Der Satz, den Du aus dem Beschluss zitierst, ist für jeden Juristen nicht unglaublich, sondern eigentlich eine Selbstverständlichkeit (genau so wie es für jeden Juristen selbstverständlich ist, dass nach der conditio-sine-qua-non-Formel die Eltern eines Mordopfers durch die Zeugung des Opfers eine kausale Ursache für dessen Ermordung gesetzt haben).

    Der wesentliche Satz und die wesentlichen Ausführungen kommen erst danach: Es ist im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob der verlinkende sich das, worauf er verlinkt, zueigen macht – und genau das macht das LG dann auch. Man kann sich sicherlich darüber streiten, ob das Ergebnis, zu dem die Kammer gekommen ist, in Ordnung ist, aber so vollkommen absurd und rechtsstaatsvernichtend, wie es allgemein hingestellt wird, ist es sicherlich nicht.

    1. Avatar von Sebbi

      Hallo CN,

      könntest du bitte die ganze Begründung verlinken oder hier in die Kommentare schreiben? Ich finde sie nirgends.

      Natürlich mögen die Reaktionen übertrieben sein. Aber es gab ja schließlich auch eine Hausdurchsuchung beim Inhaber von wikileaks.de (http://www.lawblog.de/index.php/archives/2009/03/26/warnung-vor-links-auf-wikileaks/). Ähnlich problematisch.

      1. Avatar von CN
        CN

        Diesen Link gibt es im Heise-Forum zu der Entscheidung des LG. Wie gesagt: Dass die Entscheidung richtig ist, will ich nicht behaupten. Aber wenn man sie kritisiert, muss man das auf der Ebene der Einzelfallabwägung tun (juristisch gesprochen: Auf der Ebene der objektiven Zurechnung) und nicht deshalb, weil das Gericht auf der Ebene der Kausalität die Conditio-Formel heranzieht.

  3. Avatar von bonsay
    bonsay

    Sehe ich ein das man abwägen muss, allerdings wenn ich jetzt auf die Unsinnigkeit (wie Sebbi) von Zensur hinweisen will, ist das schwierig.
    Ich will einen Link auf die Liste auf wikileaks setzen, damit man sehen kann welche Adressen da fälschlich „reingesrutscht“ sind. Jetzt mache ich mir den Inhalt ja auch zu nutze – Schon bin ich ein Sexualstraftäter….. Geht irgendwie an dem Sinn vorbei, oder?

    1. Avatar von Sebbi

      Das Ziel ist die Selbstzensur in den eigenen Köpfen. Man sieht das schon an meinem Artikel. Ich traue mich nicht aktiv einen Link auf Wikileaks zu setzen, dabei müsste jetzt eigentlich jeder Blogger gerade deswegen darauf verlinken.

      Wikileaks, Wikileaks, Wikileaks!